Landratsamt München
Sachgebiet 3.1.
(Kommunalaufsicht)
Mariahilfplatz 17
81541 München
Höhenkirchen-Siegertsbrunn, den 3. August 2006
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die erste
Bürgermeisterin der Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn
Anlagen:
Sehr geehrte Damen
und Herren,
hiermit erheben wir eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Frau Bürgermeisterin
Ursula Mayer.
Die Beschwerde bezieht sich auf folgende Sachverhalte:
1. Kompetenzüberschreitung der Bürgermeisterin beim Erwerb einer Skulptur.
2. Unzulässige Ablehnung einer Abstimmung
über einen Antrag am 20. Juli 2006.
Zu 1.: Kompetenzüberschreitung der Bürgermeisterin beim Erwerb einer
Skulptur
Der Gemeinderat von Höhenkirchen-Siegertsbrunn hat in seiner Sitzung am
6. April 2006 unter TOP 1 Folgendes beschlossen:
1. Dem Erwerb der
Skulptur „HöSi“ der Künstlerin Waltraud Kurz wird grundsätzlich zugestimmt.
2. Die Skulptur soll eine Höhe von fünf
Metern aufweisen.
3. Die
Bürgermeisterin soll in der nächsten Gemeinderatssitzung jeweils ein Modell der
Skulptur in Aluminium und Bronze vorstellen. Ferner soll sie zur Finanzierung
der Skulptur Sponsoren werben.
Über diese Beschlussfassung hinausgehend hat die Bürgermeisterin jedoch
nicht nur Sponsoren geworben und die Modelle in verschiedenen Materialien
beschafft, sondern auch den Auftrag für die Skulptur an eine Gießerei vergeben.
Die bereits entstandenen außerplanmäßigen
Kosten wurden auf 15.000 € beziffert.
Laut Geschäftsordnung des Gemeinderats (§ 12 Abs. 2 Nr. 2c) kann die
Bürgermeisterin über außerplanmäßige Ausgaben nur im Einzelfall bis 6.250,00 €
entscheiden. Ferner kann die Bürgermeisterin laut Geschäftordnung (§ 12 Abs. 2
Nrn. 2d und e) Verträge und weitere Rechtsgeschäfte nur bis zu einer Höhe von
25.000 € selbständig abschließen; die Gesamtkosten für die Skulptur zum
Zeitpunkt der Auftragsvergabe wurden jedoch zwischen netto 26.000 und 40.000 €
(je nach Material) beziffert.
Darauf angesprochen, berief sich die Bürgermeisterin in der Gemeinderatssitzung
am 20. Juli 2006 auf einen Beschluss des Hauptverwaltungsausschusses vom 16.
März 2006 (TOP 1).
Dieser Beschluss kann jedoch die Rechtsgrundlage für das Handeln der
Bürgermeisterin nicht liefern. Der Hauptverwaltungsausschuss sprach lediglich
eine vorberatende Empfehlung an den Gemeinderat aus, die zudem unter dem
Vorbehalt der verbindlichen Klärung
des Standorts stand. Dieser Vorschlag wurde jedoch in der Gemeinderatssitzung
am 6. April abgeändert, womit – im Einklang mit der kritischen Diskussion im
Plenum – der Gemeinderat weder die Vergabe noch die außerplanmäßigen Kosten
genehmigte. Daneben ist bis heute kein verbindlicher Standort für die Skulptur
gefunden, da es sich beim jetzt anvisierten Aufstellungsort lediglich um eine
Übergangslösung handelt.
Damit fehlen für die Vergabe des Auftrags sowohl der konkrete Vergabebeschluss
als auch die Genehmigung der außerplanmäßigen Ausgaben. Die Auftragsvergabe
stellt somit eine Kompetenzüberschreitung der Bürgermeisterin dar. Welche
Rechtsfolgen ergeben sich daraus?
Zu 2.: Rechtsmissbräuchliche Ablehnung eines Antrags bzw. nicht ordnungsmäßige
Ladung/Beschlussfassung
Der Gemeinderat befasste sich am Donnerstag, 20. Juli 2006, unter TOP 2
mit „Kulturjahr 2007; Erwerb einer Skulptur; Entscheidung über das zu
verwendende Material (Gemeinderat am 06. April 2006, TOP 1).
Die am 6. April 2006 getroffene Grundsatzentscheidung des Gemeinderats
über den Erwerb der Skulptur „Das HöSi“ der Künstlerin Waltraud Kurz war in der
Bevölkerung auf massiven Widerstand gestoßen. Zwei Tage vor der Gemeinderatssitzung
wurden der Bürgermeisterin rund 1560 Unterschriften (ca. 25 % der Wahlberechtigten)
überreicht.
Die Unterschriftenaktion, die am 25 Juni 2006 begann, hatte nicht nur
grundsätzliche Bedenken gegen die Skulptur vorgebracht, sondern auch konkret
gefordert, eine derartige Skulptur zum Gegenstand eines Wettbewerbs zu machen.
Zahlreiche Bürger/innen hatten ferner ihrer Verwunderung Ausdruck gegeben, dass
ihnen im Vorfeld der Gemeinderatsentscheidung keine Gelegenheit gegeben worden
war, an der Meinungsbildung teilzunehmen.
Die Unterschriftenaktion wurde am Montag, 17. Juli 2006, abgeschlossen,
die Listen wurden am Dienstag, 18. Juli 2006, der Bürgermeisterin übergeben.
Angesichts der Ergebnisse der Unterschriftenaktion stellten die Unterzeichneten
daher noch am Dienstag einen Änderungsantrag zu TOP 2, in dem sie forderten:
„1. Der Grundsatzbeschluss des Gemeinderats vom 6. April 2006 TOP 1 über
die Anschaffung einer Figur wird aufgehoben.
2. Der
Hauptverwaltungsausschuss wird beauftragt, für die Anschaffung eines
Kunstwerks, das als Symbol der Gemeinde dienen soll, einen Vorschlag zu erarbeiten
und diesen dem Gemeinderat zur Abstimmung vorzulegen. Dieser Vorschlag sollte
klären:
a) Verbindlicher Standort des Kunstwerks,
b) Kostenrahmen,
c) Modalitäten eines Wettbewerbs, der unter Einbeziehung unabhängiger
Fachleute sowie mit breiter Beteiligung der Bürger durchzuführen ist.“
Dieser Antrag ging sowohl der Bürgermeisterin als auch den im Gemeinderat
vertretenen Fraktionen noch am Dienstag zu, da an diesem Tag üblicherweise die
Fraktionssitzungen abgehalten werden, wenn am Donnerstag eine Sitzung stattfindet.
In der Sitzung am 20. Juli 2006 wurde er nochmals mündlich gestellt.
Unter Verweis auf den Wortlaut der Sitzungseinladung nahm die Bürgermeisterin
den Antrag nicht zur Abstimmung an, da er kein Änderungsantrag sei, sondern
einen eigenen Tagesordnungspunkt erfordert hätte. Dafür sei er aber zu spät gestellt
worden.
Die Geschäftsordnung des Gemeinderats (§ 24) sieht jedoch vor, dass auch
unmittelbar vor oder während der Sitzung gestellte Anträge nachträglich in die
Tagesordnung aufgenommen werden können, wenn 1. die Angelegenheit dringlich ist
und der Gemeinderat der Behandlung mehrheitlich zustimmt oder 2. sämtliche
Mitglieder des Gemeinderats anwesend sind und kein Mitglied der Behandlung
widerspricht.
Von dieser Möglichkeit hat die Bürgermeisterin in der Sitzung am 20.
Juli 2006 Gebrauch gemacht und über zwei Tagesordnungspunkte abstimmen lassen,
die in der Sitzungsladung noch nicht enthalten waren und auch nachträglich dem
Gemeinderat nicht mitgeteilt worden waren. Der Behandlung hat der Gemeinderat
gemäss Geschäftsordnung zugestimmt.
Nach Prüfung der Rechtslage nach der Sitzung sind die Unterzeichneten
der Ansicht, dass eine Behandlung ihres Änderungsantrags im Gemeinderat nicht
nur politisch geboten, sondern auch formal zulässig gewesen wäre. Erhebliche
Zweifel bestehen schon daran, ob der Antrag tatsächlich neu in die Tagesordnung
hätte aufgenommen werden müssen. Aber selbst in diesem Falle gilt, dass
angesichts der Brisanz des Ergebnisses – 25 % der Wahlberechtigten hatten ihren
Unmut in der Unterschriftenaktion geäußert – die Behandlung der Angelegenheit
auch wegen der bevorstehenden Sommerferien dringlich war. Die Bürgermeisterin
hätte daher eine Abstimmung über den Antrag nicht verweigern dürfen, sondern
den Gemeinderat darüber entscheiden lassen müssen.
Wir bitten Sie, das Handeln und Verhalten der Bürgermeisterin dienstaufsichtsrechtlich
zu bewerten und uns eine entsprechende Stellungnahme zukommen zu lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Bug Florian
Sepp